Kreative Berufe: SprecherIn
von Manuel Schmitt // 07.09.2023 19:09 // 0

Als Sprecher arbeitet man in verschiedenen Bereichen, sei es Werbung, Computerspiele, Off-Text, Synchronisation, Hörspiel oder Hörbuch. Wie der Alltag eines Sprechers aussieht, was einen guten Sprecher ausmacht und wie man seine Stimme schont erzählt uns Louis Friedemann Thiele, der vor Kurzem auch das Hörbuch zu meinem Roman Godmode eingesprochen hat.

Louis Friedemann Thiele

Louis Friedemann Thiele arbeitet als Sprecher und Schauspieler

Louis Friedemann Thiele ist im Synchron bei großen Serien wie Game Of Thrones (Gendry), Once Upon a Time (Prince Charming) und auch im Anime sowie im Computerspielbereich (Call of Duty, Star Wars Jedi) zu hören. Außerdem hat er mehrere Hörbücher eingesprochen und ist auch im Hörspielbereich aktiv. Auf Instagram findet ihr ihn unter @louisfreezy.

Die Standardfrage zuerst: Wie bist du zum Beruf des Sprechers gekommen?

Ein Freund von meinem Vater hat im Synchronstudio gearbeitet. Die haben dort junge Stimmen gebraucht und mir mit 12 Jahren nach einem Casting eine Rolle gegeben, eine relativ große Rolle in einer amerikanischen Serie, und mein Sprechpartner war die deutsche Stimme von Macaulay Culkin. Ich habe “Kevin allein zu Haus” geliebt und fand das super! Dann waren wir vielleicht drei Tage im Studio, das war zwar spannend, aber es war auch Sommer und ich wollte unbedingt raus zum Skateboard fahren. (lacht) Wir waren die ganze Zeit in einem dunklen Raum. Danach dachte ich: Das war jetzt okay für die drei Tage, aber auf lange Sicht ist das nichts. Und dann — fast forward — habe ich eine Schauspielausbildung gemacht und wurde mit 23 oder 24 am Grillo-Theater in Essen engagiert. Das habe ich drei Jahre gemacht. Gefiel mir aber auch nicht! Also bin ich nach Köln gezogen und habe einen Abschlussfilm an einer Filmhochschule gedreht. Der Regisseur konnte mir nichts zahlen, aber der arbeitete beim WDR und hatte Zugang zum Tonstudio. Also war unser Deal: Er gibt mir ein paar Stunden im Tonstudio, um ein Demo aufzunehmen. Das habe ich verschickt und bin damit zwei Jahre Klinken putzen gegangen. Und plötzlich konnte ich davon leben. Dann war das mein Beruf.

Louis Friedemann Thiele

Still aus dem Kurzfilm "Das Recht zu retten" von Daniel Borovkov

Du hast also eine Schauspielausbildung gemacht. Hast Du dann noch zusätzlich eine Sprecherausbildung absolviert?

Ich hatte Sprechunterricht in der Ausbildung, und auch am Theater haben wir einmal die Woche einen Sprechlehrer bekommen. Ich habe es gehasst! Es gibt so ein paar Grundregeln, die sind sehr wichtig …

Könich statt Könik!

Zum Beispiel, genau, ich bin ja in München geboren, deswegen war Könik bei mir definitiv am Start.

Bei mir auch, ich komme ja auch aus München!

Wirklich?!? Bist a Bayer, oder?

Geborener Münchner, Wahlkölner.

Ja lustig, genauso wie bei mir! Ich bin jemand, der gut lernt, wenn er Leuten zuschauen kann. Es gab ein Synchronstudio in Köln, das gesagt hat: Hey, Du bist technisch noch nicht so weit, aber wenn Du Lust hast, kannst Du Dich einfach mal drei, vier Stunden ins Studio reinsetzen und David Nathan zuhören. Das war super! Da habe ich echt viel gelernt! Wie technische Sachen funktionieren, wie man effizient arbeitet. Sprechunterricht hat mir nur Knoten im Kopf gemacht. Mir haben sie immer erzählt, meine Stimme sei zu hoch! Ich bin 1,89 Meter, und für die musste so ein Mann, wenn er auf die Bühne kommt, eine tiefe Stimme haben. Ich habe voll den Krampf bekommen, weil ich nunmal keine tiefe Stimme habe. Daher rührt meine Aversion gegen Sprechunterricht, wo oft versucht wird, etwas aus jemandem zu machen, was er gar nicht ist. Ich finde es sehr wichtig, dass man die Stärken und Qualitäten, die ein Mensch hat und die ihn einzigartig machen, erkennt und hervorhebt und ihm damit einen Boden bereitet, auf dem er sich wohl fühlt.

Louis Firedman Thiele Sprecher

Während Sprachaufnahmen für Zeichentrick und Anime kann es schon mal recht laut und wild werden.

Also inzwischen bist Du ja Werbe-, Doku- und Hörbuchsprecher, aber auch Synchronsprecher — das sind ja eigentlich zwei recht unterschiedliche Arten des Sprechens. Wie unterscheidet sich die Arbeit im Studio?

Der Unterschied zwischen Synchron und Hörbuch ist vor allem, dass man beim Hörbuch über viel längere Strecken eine Geschichte erzählt, die auch Freiraum für Interpretation lässt. Beim Synchron nimmst du Take für Take von deiner Figur auf und vergleichst immer mit dem Original. Bei englischen oder amerikanischen Schauspielern versuche ich deren Emotionen ins Deutsche zu übertragen. Dabei ist man durch die Lippensynchronität viel mehr gebunden. Beim Hörbuch geht man oft nicht so tief in die Emotion, auch wenn es natürlich direkte Rede gibt, bei der man in Rollen reinschlüpfen kann.

Machst Du eines von den beiden lieber?

Das Schönste ist für mich, wenn ich mit Menschen zusammenarbeite, die ich gerne habe. Dann kann ich auch die Lizenzvereinbarung von irgendeinem Software-Hersteller vorlesen und trotzdem eine gute Zeit im Studio haben.

Das ist eine gute Einstellung! Du hast ja — jetzt wo wir gerade bei Hörbuch sind — meinen Roman Godmode eingesprochen, was mich sehr gefreut hat …

… und mich erst!

(lacht) … und ich habe gesehen, dass Du auch auf der Gamescom warst. Ich weiß, dass der Verlag Dich ausgewählt hat, weil Du Spiele-affin bist. Würdest Du Dich selbst als Gaming-Enthusiast bezeichnen?

Ich würde mich als Gaming-Enthusiast in Vor-Rente bezeichnen (lacht), weil ich nicht mehr so viel Zeit habe wie früher. Einfach dadurch, dass ich Papa geworden bin und auch viel arbeite. Aber ich bin definitiv Gaming-affin; auch dadurch, dass ich viele Games einspreche — unter anderem eben Cal Cestis, mit dem für mich ein Traum in Erfüllung gegangen ist, weil ich damit Teil des Star Wars Universum geworden bin. Ich lebe meinen Gaming-Spleen damit aus, dass ich Games vertonen darf. Wenn mein Sohn im Bett ist und ich abends Zeit habe, werfe ich ab und zu noch mal die Konsole an, aber das ist wirklich sehr, sehr eingedampft.

Louis Friedemann Thiele als Cal Cestis

Louis spricht in Star Wars: Survivor die Figur Cal Cestes

Was spielst Du dann da?

Ich habe als letztes wirklich Star Wars gespielt.

(lacht) Um Dich selbst zu hören?

Um mich selbst zu hören, um die KollegInnen zu hören, und um zu schauen, ob alles geklappt hat. Auch, weil ich das Storytelling und die Story einfach wahnsinnig gut finde und großer Star Wars Fan bin. Aber es ist auch frustrierend, denn Du spielst eine Stunde und kommst so gar nicht voran, dann zieht sich so ein Game auch mal über vier oder fünf Monate.

Oder man kommt nach zwei Woche zurück und kennt die Controls nicht mehr …

Ja, genau! Dann stellt man doch verschämt auf den easy-Modus.

Dann passte das ja wirklich gut mit Godmode! Bereitest Du Dich auf so ein Hörbuch-Projekt in irgendeiner Weise vor?

Absolut! Man liest das Buch und macht sich Notizen, z.B. welche Figur spricht gerade, wie möchte ich die Figur stimmlich anlegen oder wie und wo setze ich die richtige Betonung. Das gehört zu einer guten Hörbuch-Vorbereitung dazu.

Louis Friedemann Thiele Godmode Manuel Schmitt

Louis hat unter anderem das Hörbuch zu meinem Roman 'Godmode' eingesprochen

Sitzt Du dann mit dem Buch oder mit Zetteln im Studio oder ist das inzwischen alles digital?

Das ist alles digital. Mit IPad und mit Pen. Du machst Dir Notizen direkt in den Text, alles digital.

Wie sieht denn eine Recording-Session für ein Hörbuch aus?

Du kommst ins Studio, bekommst Wasser oder einen Kaffee und machst kurzen Smalltalk. Dann gehts ins Studio, man schließt Kopfhörer und iPad an, der Ton-Assistent sagt: “Aufnahme läuft”, und dann legst Du los; von Anfang bis Ende.

Wie oft verspricht man sich bei sowas?

Kommt auf die Konzentration an, das ist tagesformabhängig. Das kann auf einer Seite gar nicht passieren und auf der nächsten bis zu fünf oder sechs Mal. Es kann auch an derselben Stelle fünf, sechs Mal hintereinander passieren, wenn man einen Knoten im Kopf hat, auch das gibt es.

Kurz gefragt:

Was ist das Tolle an Deinem Beruf? Ich habe mit tollen Menschen zu tun, ich kann Emotionen durchleben, und ich bin dabei in einem geschützten Raum. Und es gibt jeden Tag eine neue Aufgabe, und deswegen wird dieser Beruf nie langweilig.

Was ist das Schwierige an Deinem Beruf? Genügend Schlaf zu bekommen.

Dein Geheimtipp bei Heiserkeit? Die Klappe halten, viel trinken, sich nicht räuspern, sondern — wenn man merkt, die Stimmbänder sind verschleimt — Husten. Keine körperliche Anstrengung und viel Schlaf.

Gibt es ein Wort, über das Du immer wieder stolperst? Ich musste letztens ‘Jahresmitgliedschaft’ sagen, ganz oft, und da bin ich über ‘Mitgliedschaft’ gestolpert. Jetzt geht's seltsamerweise, aber das ist tagesformabhängig …

Was hättest Du gerne schon gewusst, bevor Du Dich für den Sprecherjob entschieden hast? Dass man einen echt guten Steuerberater braucht und unfassbar viel Buchhaltung machen muss.

Es gibt ja noch andere Leute im Studio. Wer sind die und was machen die?

Auch das kommt aufs Projekt an. Bei mir im Studio sind entweder ein oder zwei Menschen; der eine macht Ton und der andere macht die Regie, und das war’s.

Regie! Die sagt Dir hin und wieder: Mach den Satz nochmal! Obwohl Du das Gefühl hattest, das war alles in Ordnung, oder?

Absolut! Und das ist auch notwendig, weil man jemanden braucht, der zuhört, da man sich manchmal in irgendwas verrennt, dann muss Dich jemand korrigieren. Das gehört dazu und ist sehr wichtig!

Du bist ja inzwischen sehr gut im Geschäft, aber wenn Du mal zurückdenkst an die Anfänge — was passiert, wenn Du einen Roman angeboten bekommst, mit dem Du gar nicht warm wirst, weil Dir zum Beispiel die Geschichte nicht gefällt?

Man braucht in diesem Beruf Demut. Während meiner Zeit am Theater war ich von sehr vielen Menschen mit Allüren umgeben. Wenn ein Verlag sich entscheidet, etwas zu veröffentlichen oder wenn ein Autor eine Geschichte schreibt, muss man davor immer gewissen Respekt haben. Selbst wenn mir das Thema völlig fremd ist, ist es trotzdem meine Aufgabe, diese Welt, die der Autor erschaffen hat, so gut es mir mit meiner Stimmer möglich ist, zu gestalten. Ich finde persönlichen Geschmack da zweitrangig. Natürlich ist das Sprechen auch eine Form von kreativem Schaffen, aber ich verstehe mich als Dienstleister. Genauso bei der Werbung z.B. — der Kunde ist König und meine Aufgabe ist es, das genauso hinzubekommen, wie der Kunde das möchte. Das ist mein Credo.

Gibt es denn ein Buch oder eine Synchrorolle, die Du gerne eingesprochen hättest, aber bei einem Casting nicht bekommen hast?

Ich war auf dem Casting für König der Löwen — der Kinofilm, der neu aufgelegt wurde. Das habe ich nicht bekommen und das hätte ich sehr gerne gemacht.

Welche Rolle?

Hauptrolle! Simba!

Oha! Das wäre natürlich krass gewesen.

Ja, aber das gehört dazu. Das ist eben so, das fiel mir spontan dazu ein.

Ich habe gesehen, Du sprichst auch Zeichentrickserien. Macht das wirklich so viel Spaß, wie es in den Videos auf YouTube aussieht?

Klar macht das Spaß! Über allem steht natürlich auch, dass man einen Job zu erledigen hat und dass man fertig werden muss — Synchron ist eben oft eng getaktet. Aber wenn dann noch Platz für Spaß und Blödelei bleibt, ist es umso besser, weil es auch für eine gute Stimmung im Studio sorgt. So arbeitet man einfach gerne.

Ist wahrscheinlich etwas anspruchsvoller für die Stimme, oder?

Absolut! Je nachdem, wie du deine Stimme verstellen musst. In Kinderserien oder Anime, wenn du jemanden sprichst, der viel brüllt, dann ist das anstrengend. Aber da musst du halt durch!

Louis Friedemann Thiele

Bei Heiserkeit muss man als Sprecher auch mal die Klappe halten und sich vor die Garage setzen :D

Apropos Beanspruchung der Stimme. Wie sieht denn ein typischer Arbeitstag eines Sprechers aus?

Es kommt vor, dass ich von morgens 9 Uhr bis abends 9 Uhr in verschiedenen Studios bin und ganz verschiedene Aufgaben erledige. Das kann mit einer Dokumentation losgehen, dann macht man Trailer, dann muss man für drei Stunden zum Synchron und am Abend vielleicht noch eine Hörbuch-Lesung. Und irgendwo ist noch eine Werbung dazwischen. Das kann viel sein und dann musst du dich und deine Belastungsgrenzen so gut kennen, dass du vorhersehen kannst, ob das für dich machbar ist.

Also wenn Du einen 12-Stunden Tag hast und morgens eine Schrei-Rolle bekommst …

… dann könnte es sein, dass Du ein Problem für Rest des Tages hast. Wenn ich z.B. Werbung mache, Off-Kommentar oder Hörbuch, dann weiß ich, ich muss nicht brüllen. Wenn ich vier Stunden Call of Duty habe, dann ist der Tag gelaufen. So einen Termin legt man sich am besten auf den Nachmittag, wo danach nichts mehr kommt.

Trainierst Du auch außerhalb der Recording Sessions?

Mittlerweile nicht mehr. Man darf trotzdem nie aufhören, sich weiterzuentwickeln. Training ist für mich manchmal auch, dass ich Kollegen zuhöre. Ich schaue eine Folge einer Serie, eine Dokumentation oder Werbung an und denke: Hey, lustig, wie der “20 Uhr 50” betont, das probiere ich morgen mal aus! Man muss immer neugierig bleiben, aber ich setze mich nicht zu Hause vors Mikro und übe.

Du hast ja auch einen Social Media Account, auf Instagram hast Du sogar einen Post zu Godmode gemacht. Wie wichtig ist sowas auch für Sprecher heutzutage?

Tiktok ist z.B. eine Plattform, die feiert Sprecher extrem. Warum auch immer! Aber es gibt seit ein paar Jahren ein großes öffentliches Interesse an diesem Beruf. Die Leute finden es super spannend, einen Einblick zu bekommen, und das freut uns natürlich. Es gibt Sprecher, die haben überhaupt kein Social Media! Mit der richtigen Herangehensweise finde ich das cool, aber du wirst nicht besetzt, weil du Social Media machst, sondern weil du gut bist und die Studios überzeugen kannst.

Was würdest Du jungen SprecherInnen raten, die jetzt mit dem Sprechen beginnen wollen?

Das ist die Millionen Euro Frage! Das ist eine der Fragen, die ich am häufigsten gestellt bekomme auf Social Media, und es gibt keine pauschale Antwort! Mir fällt es schwer, jungen Leuten zu raten: du musst eine Schauspielausbildung machen, sonst hast du überhaupt keine Chance! Es gibt Menschen, die haben nicht die Möglichkeit dazu, die werden nicht an einer staatlichen Schule genommen, müssen auf eine private Schule und viel Geld bezahlen. Und trotzdem hat man keine Garantie. Das einzige, was man allgemeingültig sagen kann, ist: wenn du auf etwas wirklich Bock hast, dann reiß dir den Arsch auf! Sei nicht faul, sondern sei fleißig und gibt Vollgas! Wenn du 100 mal eine Absage bekommst und auf dem Boden fällst, dann steh 101 Mal auf. Da gehört dazu, dass man sich Wissen aneignet, dass man trainiert, dass man vielleicht ein Schülerpraktikum macht. Ich glaube, ich habe schon eine Gabe mitbekommen, ich kann gut Gefühle transportieren mit meiner Stimme. Aber trotz dieser Gabe musste ich lernen, meine Stimme einzusetzen. Das habe ich eher dadurch geschafft, dass ich ausprobiert habe, dass ich guten Leuten zugeschaut habe, dass ich Leute gefragt habe: Hey wie machst du das? Dass ich neugierig war und dass ich sehr, sehr fleißig war. Ich würde nicht unbedingt sagen, dass mein Erfolg an meiner Schauspielausbildung liegt.

Eine Herangehensweise, die ich ebenfalls mein Leben lang schon praktiziert habe. Vor allem das Hinfallen (lacht). Vielen Dank für die Einblicke!

Sehr gerne!

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