Ich bin gestern auf Twitter über einen Post von Petite Madame gestolpert, der ein gutes Beispiel für die Irrungen und Ver-Wirrungen einer digitalen Social-Media-Generation darstellt. Petite Madame ist eine durchaus talentierte junge Französin, die sich vor allem auf DeviantArt mit Fanart beschäftigt. Damit sind wir dann auch voll im Thema:
Kurz zusammengefasst: Jemand hatte eines ihrer Bilder ohne zu fragen als Titelbild für eine Fanfiction benutzt. Da ihr das schon öfter passiert war, setzte sie einen Tweet ab, der für ein bewussteren Umgang mit ihrer und anderer Kunst umgeht. Vor allem die Abgrenzung von artwork zu stockimages schien ihr in diesem Falle wichtig.
das Offensichtliche
Auf meine Frage, ob sie denn das Foto, welches sie in dem Tweet verwendet habe, auch selber geschossen habe, antwortete sie, dass sie das Bild auf einer rechte-freien Seite gefunden habe. Bei einer reverse-Image-Suche musste sie jedoch feststellen, dass das Bild von einer Demonstration aus einem Artikel der DailyMail stammt. Ich bezweifle, dass die DailyMail ihre Bilder auf Seiten hochläd, die rechtefreie Bilder anbietet.
Es gibt noch weitere, offensichtliche Widersprüche, wenn man weiter durch ihre Twitter-Timeline scrollt. Zum Beispiel Stills aus Disney-Filmen, die als Meme verwendet werden - mit Sicherheit auch kein Artwork, was sie selbst gemacht hat. Nun kann man natürlich sagen: "Ja, aber Memes oder illustrierende Bilder für einen Tweet sind doch nicht das gleiche, wie ein Artwork für eine Fanfiction hernehmen!"
Warum eigentlich nicht? Ist das nicht alles eine Frage der Perspektive? Ob es nun eine Fanfiction oder ein Tweet ist, das illustrierende Bildmaterial ist nicht vom Autor des Textes und dieser hat auch nicht gefragt, ob er es dafür benutzen darf. In diesem Zusammenhang habe ich mich übrigens schon oft gefragt, ob die GIFs, die bei Twitter oder bei Whatsapp in der App selbst zur Auswahl stehen, wirklich lizensiert sind, oder ob es sich hierbei um eine Grauzone handelt.
das nicht so Offensichtliche
Der Tweet hat mich getriggert, weil ich diese Forderung schon öfters erlebt habe im Bereich Fanart. Die Szene ist voll von jungen, talentierten Menschen, die teilweise sehr protektiv mit ihren Werken umgehen. Das ist vollkommen verständlich - schließlich sind diese Artworks viel Arbeit. Und trotzdem halte ich so eine Haltung das für inkorrekt, vielleicht sogar scheinheilig. Und an alle Artists: Bitte lest weiter, bevor ihr wütend in die Keyboardtasten greift! :D
Das Urheberrecht in Deutschland ist übrigens ziemlich stark reglementiert. Neben dem Urheberrecht, einem Teil der deutschen Rechtsordnung, gibt es außerdem die Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst sowie ein Welturheberrechtsabkommen welches das Urheberrecht auch über nationale Grenzen hinaus regelt.
Ich habe in der LPT-Zeit viel Fanart gesehen - und viele Bilder, die mich als Motiv hatten, habe ich gesammelt und bewahre sie bis heute auf. Ich habe mich tierisch gefreut über die witzigen, teilweise karikierenden und immer liebevollen Zeichnungen. Natürlich habe ich die Zeichnungen geteilt, ich habe sie auf meiner damaligen Webpage gesammelt, immer mit Angabe, wer der Künstler ist (die untenstehende Zeichnung ist von tobsen85).
Aber man muss sich schon bewusst sein, dass die Auswahl eines Motives im Bereich Fanart nicht immer einer reinen Begeisterung für das Motiv entspringt. Vielleicht mag das in meinem Fall (SgtRumpel) nicht unbedingt zutreffen, aber wenn wir wirklich ehrlich sind, dann ist ein Motiv, das viele Leute begeistert, wesentlich besser dafür geeignet Aufmerksamkeit zu erreichen. Die gesamte Sparte Fanart ist durchsetzt von Artists, die gerne den Bonus an Aufmerksamkeit mitnehmen, der allein durch die Motivwahl entsteht.
Denn ein Werk zu erschaffen, welches komplett auf dem eigenen Mist gewachsen ist, ist nicht nur schwerer, sondern auch schwerer unter die Leute zu bekommen. Mit Alendia gehe ich diesen Weg tagtäglich und er ist mühsam und oftmals frustrierend. Viele der Fanart-Künstler wissen das, denn sie haben das schon am eigenen Leib erfahren.
Doch gehen wir zu dem originalen Tweet zurück. In ihm schreibt PetiteMadam nur von "artwork". Hier liegt meiner Meinung nach ein definitorisches Problem: Man muss unterscheiden zwischen Original Artwork und Fanart. Das vermeintliche Bild, dessen unerlaubte Verwendung P.M. anprangert, war eine Zeichnung, auf der Chris Evans und Sebastian Stan in schmusender Pose zu sehen waren. Mal abgesehen davon, ob man das Motiv an sich gut findet oder nicht, ist das eindeutig Fanart.
Doch Fanart wird nie zu 100% Original Artwork sein. Man baut auf bestehenden Charakteren auf, die einem nicht gehören. Man nutzt die Bekannheit anderer Merchandises, um seine eigene Marke nach vorne zu bringen. Man zeichnet Designs nach, die von einem anderen Künstler entworfen wurden.
Gehen wir noch einen Schritt weiter!
Mit der gamescom, die zur Zeit in Köln stattfindet ist ein anderer Bereich, der inzwischen sogar professionelle Ableger gefundet hat, ebenfalls wieder in aller Munde: Cosplay. Auch hier bauen Künstler massiv auf die Charaktere und Designs anderer auf. All die Designs der Kostüme wurden nicht von den Cosplayern entworfen, lediglich die physische Prob. Das Urheberrecht liegt bei jemand anderem.
Bei Cosplay verhält es sich ähnlich wie bei der Fanart: Die eigentlichen Urheber billigen diese Werke, weil sie zu einer erhöhten Präsenz der Marke führen und damit Teil eines kostenlosen Promotion-Paketes sind. Trotzdem halte ich einen Protektivismus in Sachen Fanart oder Cosplay für nicht angebracht. Wer die Vorteile einer bekannten Marke genießen möchte, der sollte auch damit klarkommen, dass aus den gleichen Gründen ebendiese Werke von anderen zweckentfremdet werden können (ich spreche hier nicht davon, dass man das Werk als sein eigenes ausgibt, das halte ich in jedem Falle als inakzeptabel).
Fazit
Fanart und Cosplay sind tolle, kreative Bereiche, in denen großartige künstlerische Werke entstehen. Doch sie entstehen auf der Basis von meist nicht angefragtem Bild- und Urheberrecht. Wer sich in diesem Bereich professionalisieren will und versucht, seine Werke restriktiv zu schützen, der sollte sich definitiv fragen, ob er nicht seine eigenen moralischen Regeln bricht. Der bessere Weg wäre meiner Ansicht nach: Bilder unterzeichnen, evtl Wasserzeichen setzen, Fordern von einer Verlinkung zum Artist und schließlich eine eigene Präsenz aufbauen, in der diese Werke eindeutig dem Künstler zugeordnet werden können.
Was denkt ihr darüber?
Hutmacher Foto by Paolo Nicolello on Unsplash
Titleimage by Howard Lawrence B on Unsplash
Nun ist es im Fall von Petite Madame zu weilen sogar so "schlimm", dass ihre Kunst von Seiten genutzt werden, die diese ungefragt auf Shirts, Tassen, Kissen etc verkaufen und Profit machen und wenn der Punkt erreicht ist, möchte man generell nicht mehr seine Kunst ungefragt auf zig verschiedenen Seiten verteilen sehen, gerade wenn man keine Gewalt darüber hat.
Davon ab sollte man sagen, dass Petite Madame außerhalb des Fandoms eine etablierte Künstlerin ist, die mit ihrem Können ihren Lebensunterhalt verdient und sich dementsprechend professionalisiert hat und sich daher nicht durch diese Fanart - und als das sehe ich es auch - bekannt machen möchte. Im Gegenteil ist es ihr ein großes Anliegen, dass die Schauspieler nicht in ihren Posts getagged werden, auch wenn sich ihre Followerschaft da kaum dran hält.
Fanart, Cosplay - und ich bin selber Cosplayer - sind Dinge, die von der "Gutmütigkeit" der Franchises lebt und ich denke, das sollten Leute generell nicht vergessen. Nichtsdestotrotz sollten die Leute, die ihre Zeit und Liebe in diese Kunst investieren auch respektiert werden. Egal ob es darum geht, dass Fanart einfach wild genutzt wird oder ein Cosplayer ohne zu fragen abgelichtet wird. Wenn ich als Thorin Oakenshield über ein Messegelände geht, ist mir durchaus bewusst, dass ich ein Design trage welches von zig Mitarbeitern bei WETA ins Leben gerufen und der Charakter von J.R.R. Tolkien geschrieben wurde. Trotzdem gingen über 6 Monate meines Lebens in das Kostüm und ich find es dann schade auf einer Seite mein Kostüm zu sehen und der Fotograf wird für das Bild gelobt. Keine Verlinkung, kein Hinweis wer der Mensch auf dem Bild ist. Auf Nachfrage, ob ich zumindest eine digitale Kopie meines Fotos bekommen könnte, kam ein deutliches nein und immer noch keine Verlinkung.
Having said that: in einer Zeit wo Kreativität keine Grenzen kennt und man gerne seine Liebe für das besagte Franchise teilen möchte, sind besagte Grenzen extrem verschwommen. Letztendlich sollten Künstler Respekt vor den Leuten haben, die die Rechte an seinen Lieblingscharaktären halten und genauso sollten die Leute die das Ergebnis dieser Liebe teilen, Respekt vor dem Künstler haben.
Durch das ständige Recycling von Inhalten und das Retweeten/Teilen usw. ist Amateuren häufig nicht klar, was eigentlich erlaubt ist. Die Grauzonen werden durch bessere Algorithmen auf den Plattformen immer kleiner und ich denke, es wird in Zukunfteher zu viel geblockt. Ich hab es aufgegeben da noch durchzublicken und verzichte auf Homepage und dergleichen, um in kein Fettnäpfchen der Uninformiertheit mehr zu treten.
Im Videoschnitt lauert gleich die doppelte Falle: Bilder/Video-Material und Musik. Oft hat beides einen anderen Urheber und wird dann zu etwas Neuem verbunden. In der Regel wird bei beidem nicht der Urheber befragt. Wenn dann Fans für den Schnitt eines Fanvideos (das vielleicht noch auf dem Handy zusammengefrickelt wurde) überzogene Mutter- bzw. Vatergefühle hegen, dann muss man schon manchmal schmunzeln.
Von den Künstleraspiranten, die zeichnen, kenne ich wenige, die sehr protektiv sind. Die meisten sind eher enttäuscht, dass ihre nicht-Fan-Art zu wenig angenommen wird. Das einzige, was ich daraus mitnehmen kann, ist, sich auch die Inhalte anzuschauen, die kein dickes Franchise dahinter haben. Meistens wird man nicht enttäuscht, also Mut zum Hinschauen!
Will sagen, bei Fanart nehm ich Charaktere inc Design etc, aber ich bringe immer noch eine Eigenleistung mit ein. Natürlich immer vorausgesetzt ich zeichne (oder pause) nicht ein Bild genau ab, dann wären wir wieder bei der Kopie.
Cosplay is fast noch interessanter. Einerseits haben wir da natürlich die Eigenleistung bei der Herstellung der Kostüme. Andererseits, was ist mit einer Verfilmung vom "Zauberer von Oz" oder "Die Schöne und das Biest"? Die basieren auch auf den Designs etc einer anderen Person die sich irgendwann das Märchen ausgedacht hat. Oder Alice im Wunderland. Und dennoch wäre es illegal, wenn ich eine digitale Version davon vervielfältige und selbst verbreite, auch wenn ich nichts dafür verlange.
Übrigens gibt es eine Regelung für die Märchenfiguren: Das nennt sich Public Domain und tritt bei vielen Werken ein, wenn der Autor bzw Künstler mehr als 50 Jahre tot ist. Vorsichtig muss man nur dabei sein, wenn man sich auf ein Design zu einer dieser PublicDomain-Figuren bezieht. Schneewittchen an sich ist Public Domain, das Design von Snowwhite jedoch liegt bei Disney...
Es ist in allen Bereichen ein/e „Widmung/Danke an den Urheber“, weil man ja im Grunde nur etwas wieder gibt, was einen bewegt. Das ganze Thema ist aber echt nicht einfach zu handhaben. Ich muss nur den Kopf schütteln, wenn es ums Verkaufen solcher Produkte geht – egal, wie viel Arbeit und Material da drin steckt. Man nutzt den Beliebtheitsgrad aus. Im Grunde ist es total traurig, dass man „nur so“ Aufmerksamkeit schafft. (Betrifft mich ja irgendwo auch :‘) ohne meine komischen FanArts wäre ich jetzt nicht da, wo ich jetzt bin. Auch wenn ich noch super unbekannt bin :‘D ) Sowas Hilft beim Üben, aber was eigenes ist doch immer was schöneres. Bei Alendia wünsche ich dir auch ganz viel Durchhaltevermögen und weiterhin viel Spaß
Dort gibt es doch viele Verkäufer, die T-Shirts, Tassen und Co. verkaufen mit Motiven von Serien oder Filmen. Müsste es da nicht auch rechtliche Konsequenzen geben oder ist das eine Grauzone?
Habe Mich noch nie richtig mit den Rechten solcher Seiten auseinander gesetzt..
das ist ein aufschlußreicher Artikel mit vielen Gedanken zum Thema Urheberrecht und darüber hinaus. Im Bereich Fanart/Artwork kenne ich mich nicht aus, weiß jedoch dass das Urheberrecht auch mal vergessen (oder ignoriert?) wird. Ich selbt fotografiere und verwende einige Fotos davon für meine Kalender (gewerblich) und muss auch schauen, wie sich die Dinge verhalten (ich muss beim Verlag nachweisen, dass ich Marken- und Patentrechte recherchiert habe ... alle Texte dazu schreibe ich selbst) ... das ist manchmal gar nicht so leicht, vor allem weil die meisten Fotos im Ausland und außerhalb von Europa entstehen. Man hat viel "Spaß" mit der Recherche und am Ende bin ich mir dennoch nicht sicher, ob dann alles richtig ist.
Bisher hatte ich das Glück, das ich um Erlaubnis gefragt wurde, wenn jemand ein Foto (von meiner Webseite oder der fotocommunity) von mir haben/verwenden wollte. Das ist jetzt zwar ein anderes Beispiel als Fanart und Artwork, doch ich ziehe ja auch meinen Nutzen aus bekannten Motiven/Landschaften/Städten usw.
Die Sache mit der Verwendung von Fotos und Co. wird wohl ein ewiges "heißes" Thema sein - kann's allerdings auch nachvollziehen.
Wie gesagt, sehr guter Artikel, der mehrere Seiten beleuchtet.